Skip to content

24 Juni 2025 | 5 min

Wolfspeed vor der Insolvenz: Ursachen, Versäumnisse im GRC

Was ist passiert?

Wolfspeed, einst als Vorreiter im Bereich Siliziumkarbid-Halbleiter gefeiert, steht überraschend vor einem Chapter-11-Insolvenzverfahren. Der Konzern hatte Milliarden in Produktionskapazitäten investiert, um die erwartete Nachfrage der Elektrofahrzeug-Industrie zu bedienen. Doch das Geschäftsmodell geriet unter Druck: Die Nachfrage blieb hinter den Erwartungen zurück, gleichzeitig wuchs der internationale Konkurrenzdruck, insbesondere aus China.

Dieser Artikel analysiert die zentralen Ursachen der Krise, die Rolle eines unzureichenden Governance-, Risk- und Compliance-Managements (GRC) und zeigt, wie ein integratives GRC-System das Debakel hätte abmildern können. Unternehmen in strategisch sensiblen Wachstumsbranchen finden hier wichtige Handlungsempfehlungen.

1. Die Entwicklung von Wolfspeed: Aufstieg und Risikoexpansion

Wolfspeed entstand aus Cree Inc. und entwickelte sich zu einem global führenden Anbieter von Siliziumkarbid-(SiC)-Leistungshalbleitern. Insbesondere durch den Trend zur Elektrifizierung des Automobilsektors versprach man sich enormes Wachstumspotenzial.

Das Unternehmen kündigte Großinvestitionen an – darunter eine 5-Milliarden-Dollar-Fabrik in North Carolina sowie den Aufbau einer Wafer-Produktion in Deutschland. Zur Finanzierung dieser ambitionierten Vorhaben nahm Wolfspeed über die Jahre Schulden in Höhe von über 6 Milliarden US-Dollar auf.

2. Ursachen für die finanzielle Schieflage

a) Überschätzte Marktnachfrage

Wolfspeeds Strategie basierte auf einem ungebrochenen Wachstum der Elektromobilität, insbesondere in den USA. Diese Annahme erwies sich jedoch als zu optimistisch. Mehrere Automobilhersteller kündigten ab 2023 Auftragskürzungen an, der Absatz von E-Fahrzeugen stagnierte. Wolfspeed musste bereits im Frühjahr 2025 einräumen, dass „erhebliche Zweifel an der Fortführung des Geschäftsbetriebs“ bestehen.

b) Kapitalintensive Expansion ohne Risikopuffer

Die Investitionsoffensive wurde fast ausschließlich fremdfinanziert. Die Kombination aus gestiegenen Zinssätzen, rückläufigem Umsatzwachstum und hohen Fixkosten führte zu einer angespannten Liquiditätslage. Die Verschuldung belief sich zuletzt auf über 6,5 Milliarden US-Dollar, bei lediglich rund 1,3 Milliarden Dollar verfügbaren Mitteln.

c) Konkurrenzdruck – vor allem aus China

Chinesische Anbieter wie SICC Co., TanKeBlue oder San’an Optoelectronics haben ihre Produktionskapazitäten für SiC-Wafer massiv ausgebaut und setzen durch staatliche Subventionen auf aggressive Preisstrategien. Innerhalb von zwei Jahren sind die Marktpreise für SiC-Wafer um rund 30 Prozent gefallen. Wolfspeed konnte mit diesen Preisniveaus nicht konkurrieren und verlor Marktanteile.

d) Verzögerungen bei staatlicher Förderung

Wolfspeed hatte auf Mittel aus dem US-amerikanischen CHIPS and Science Act gesetzt. Zwar wurden bis zu 750 Millionen US-Dollar Fördermittel zugesagt, doch kam es zu erheblichen Verzögerungen in der Auszahlung. Dies verschärfte die Finanzierungslage weiter.

e) Mangelhafte strategische Steuerung

Neben der externen Marktdynamik fällt auf, dass Wolfspeed zu lange an der eigenen Wachstumsvision festhielt, obwohl operative Frühindikatoren – sinkende Auftragseingänge, Verschlechterung des Cashflows, zunehmender Wettbewerbsdruck – zu strategischer Anpassung hätten führen müssen. Die notwendige Kurskorrektur blieb aus.

3. GRC-Versäumnisse als Verstärker der Krise

Ein Blick auf Governance, Risk und Compliance zeigt: Die Krise war nicht ausschließlich marktgetrieben. Ein professionell aufgesetztes GRC-System hätte frühzeitig auf Fehlentwicklungen hinweisen und gegensteuern können.

Governance: Strategisches Controlling und Eskalation

  • Fehlende Szenarioplanung und Alternativstrategien bei sich ändernden Marktbedingungen.
  • Unzureichende Kontrolle der Kapitalbindungsstruktur durch das Board of Directors.
  • Zu späte Reaktion auf operative Signale (Umsatzeinbruch, Kundenrückgänge).

Risk Management: Intransparente Risikoverteilung

  • Keine definierten Schuldenobergrenzen oder Limits für Investitionsverpflichtungen.
  • Keine integrierten Stresstests auf Basis unterschiedlicher Nachfrage- und Preisniveaus.
  • Fehlende Risikomodelle zur Bewertung geopolitischer Einflüsse und Wettbewerbsdynamik.

Compliance: Fördermittel, Marktkommunikation, ESG

  • Mangelhafte Vorbereitung auf regulatorische Anforderungen zur Auszahlung staatlicher Förderungen.
  • Verspätete Offenlegung gegenüber Investoren zur finanziellen Lage und operativen Risiken.
  • ESG-Risiken wie Ressourcenverbrauch oder Lieferkettenunsicherheiten wurden nicht systematisch in der Risikoanalyse berücksichtigt.

4. Was hätte ein starkes GRC-System leisten können?

Ein robustes GRC-System ersetzt kein funktionierendes Geschäftsmodell. Aber es verschafft Unternehmen die nötige Steuerungsfähigkeit, um Risiken früh zu identifizieren, Entscheidungen besser abzusichern und das Vertrauen externer Stakeholder zu erhalten.

GRC-KomponentePräventive MaßnahmeMögliche WirkungGovernanceEinführung eines strategischen FrühwarnsystemsFrühzeitige Kurskorrektur bei MarktschwächeRiskSzenarien- und Stresstests für Investitions- und SchuldenpolitikBegrenzung der Fremdkapitalquote, gezielte RisikoallokationComplianceFrühzeitige Erfüllung von Förderkriterien, klare Kommunikation mit InvestorenSicherung staatlicher Zuschüsse, bessere Bonität, LiquiditätserhaltReportingOperative Risiko- und Finanzkennzahlen im monatlichen ReviewTransparenz für Aufsichtsgremien und Gläubiger, bessere Reaktionsfähigkeit

5. Fazit

Wolfspeed steht stellvertretend für viele technologiegetriebene Unternehmen, die auf Basis eines vielversprechenden Megatrends massive Wachstumsprojekte realisieren, jedoch Governance- und Risikostrukturen vernachlässigen. In einem volatilen globalen Marktumfeld kann dies fatale Konsequenzen haben.

Die Insolvenz ist für Wolfspeed eine Zäsur. Sie erlaubt – wenn rechtzeitig restrukturiert wird – unter Gläubigerschutz eine Neuausrichtung. Die zentrale Lehre: Ohne ein starkes, integriertes GRC-System bleibt selbst die innovativste Technologie angreifbar.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Wolfspeed-Insolvenz

Was ist Wolfspeed? Wolfspeed ist ein US-amerikanischer Hersteller von Halbleitern auf Basis von Siliziumkarbid (SiC), die in Hochleistungsanwendungen wie E-Fahrzeugen, Industrieanlagen und erneuerbaren Energien eingesetzt werden.

Warum steckt Wolfspeed in finanziellen Schwierigkeiten? Das Unternehmen hat sich bei der Expansion übernommen, die Nachfrage nach E-Fahrzeugen ist geringer als erwartet, gleichzeitig belastet der Wettbewerbsdruck aus China das Geschäft. Die Folge ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit.

Was bedeutet Chapter 11? Chapter 11 ist ein US-Insolvenzverfahren, das Unternehmen erlaubt, sich unter gerichtlicher Aufsicht zu restrukturieren, während der laufende Geschäftsbetrieb aufrechterhalten wird.

Welche Rolle spielte die Konkurrenz? Chinesische Hersteller haben massiv in die Produktion von SiC investiert und durch Subventionen aggressiv die Preise gedrückt. Wolfspeed konnte bei diesen Marktbedingungen nicht kostendeckend produzieren.

Wie hätte ein starkes GRC-System geholfen? Ein integriertes GRC-System hätte Risiken frühzeitig identifiziert, strategische Entscheidungen abgesichert und die Kommunikation mit Investoren und Förderinstitutionen optimiert – und damit die Insolvenz möglicherweise verhindert oder zeitlich entschärft.

Related posts