1. Warum geopolitische Risiken für Schweizer Banken so relevant sind
Geopolitische Risiken haben sich in den letzten Jahren zu einer entscheidenden Einflussgröße für den Finanzsektor entwickelt. Ob Konflikte wie Russland–Ukraine, Spannungen in Ostasien oder mögliche Veränderungen der US-Geldpolitik – all diese Faktoren bergen für Schweizer Banken weitreichende Folgen. Traditionell sind Schweizer Finanzinstitute als „sicherer Hafen“ bekannt. Doch angesichts neuer Risikofelder wie Sanktionen, Deglobalisierung und technologischer Disruption (z. B. durch generative KI) geraten selbst die stabilsten Strukturen in Bewegung.
Die Studie von zeb und der Swiss Bankers Association (SBA) zeigt, dass bankenstrategische Entscheidungen heute viel stärker geopolitische Entwicklungen berücksichtigen müssen, um die Langzeitstabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
2. Übersicht über die 34 identifizierten geopolitischen Risikofaktoren
Im Rahmen der Untersuchung wurden 34 geopolitische Risikofaktoren analysiert. Diese umfassen unter anderem:
- Internationale Konflikte: Russland–Ukraine, China–Taiwan, USA–China, Nahost-Konflikte.
- Deglobalisierung und neue Weltordnung: Tendenz zu Friendshoring und vermehrten Handelsbarrieren.
- Schweiz-spezifische Aspekte: Frage der Neutralität und steigender Druck in Bezug auf Sanktionen.
- Technologische Entwicklungen: Auswirkungen von (generativer) KI, digitale Innovation, Regulierung.
- Weltwirtschaftliche Veränderungen: Mögliche US-Schuldenkrise, Volatilität der Rohstoffpreise, Konkurrenz durch asiatische Steuerparadiese.
In der Studie werden diese Faktoren hinsichtlich ihrer Vernetzung (Netzwerkanalyse) und Relevanz (z. B. zentrale Risikofaktoren wie Sanktionspolitik) für die Schweizer Bankenwelt bewertet.
3. Zentrale Risikofaktoren: Sanktionen als Schlüsselfaktor
Einer der am stärksten hervorgehobenen Risikofaktoren ist das Thema Sanktionen. Während die Schweiz traditionell eine neutralitätsgeprägte Politik verfolgt, steigt der Druck, sich internationalen Sanktionen anzuschließen. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf:
- Compliance-Anforderungen: Komplexere Prüfprozesse und strengere Kontrollen führen zu höheren Kosten.
- Reputationsrisiken: Ein falscher Umgang mit Sanktionen kann das Vertrauen internationaler Kunden schädigen.
- Wettbewerbsfähigkeit: Eine zu strenge oder zu lasche Sanktionspolitik kann sowohl den Marktzugang als auch die Wahrnehmung der Schweizer Banken beeinträchtigen.
Laut Studie ist „Positionierung gegenüber Sanktionen“ der zentralste Risikofaktor für Schweizer Banken und muss dringend in die strategische Planung einfließen.
4. Einfluss auf die verschiedenen Banksegmente
Die Studie differenziert nach sechs Kernsegmenten der Schweizer Bankenwelt und untersucht die potenziellen Einflüsse auf Risiko, Erlöse und Kosten:
- Large Corporate Banking – International
- Hohes Risiko durch internationale Konflikte und Sanktionen, da Großkunden in Krisenregionen tätig sein können.
- Kostensteigerungen durch komplexere Compliance-Anforderungen.
- Erlöspotenzial kann leiden, wenn globale Investitionsströme zurückgehen oder sich verlagern.
- Corporate/SME Banking – National
- Geringeres Auslandsengagement, doch auch hier können Sanktionsregeln kleine und mittlere Unternehmen (KMU) treffen.
- Die Studie zeigt einen moderaten Effekt auf Erlöse und Kosten, jedoch steigendes Risikobewusstsein.
- National Wealth Management
- Gemäß der Experteneinschätzung tendenziell begünstigt, da in unsicheren Zeiten immer noch viele Vermögende auf den „sicheren Hafen Schweiz“ setzen.
- Kosten bleiben überschaubar, Erlöse profitieren vom steigenden Sicherheitsbedürfnis internationaler Kapitalgeber.
- International Wealth Management
- Gemischte Effekte: Internationale Spannungen können einerseits Fluchtgelder anziehen, andererseits den Zugang zu wichtigen Wachstumsmärkten erschweren.
- Compliance-Kosten und Sanktionsthemen spielen hier eine besonders große Rolle.
- Asset Management
- Höheres Risiko durch globale Kapitalflüsse und volatiles Marktumfeld.
- Kosten für Risikomanagement und Regulierung nehmen zu; die Erlöse könnten unter Margendruck leiden.
- Retail Banking
- Primär auf den inländischen Markt ausgerichtet.
- Laut Studie in puncto Risiko eher stabil und Erlösentwicklung solide, kann jedoch langfristig von wirtschaftlicher Gesamtlage betroffen sein.
5. Historische und prädiktive Analysen: Widerstandsfähigkeit, aber keine Garantie
Die Studie belegt, dass der Schweizer Bankensektor historisch als äußerst resilient gilt. Selbst bei steigenden Unsicherheitsindikatoren – gemessen am World Uncertainty Index (WUI) – blieb die Eigenkapitalrendite (RoE) der Schweizer Banken über Jahre stabil.
Wichtiger Hinweis: Diese Widerstandsfähigkeit ergibt sich aus der starken Schweizer Wirtschaftsstruktur, dem hohen Maß an Professionalität im Bankensektor und der internationalen Reputation. Für die Zukunft ist diese Stabilität aber keinesfalls garantiert, da neue Faktoren wie die rasante technologische Entwicklung (z. B. KI) und geopolitische Verschiebungen (Mehr-Polarisierung statt Bipolarität) zunehmend komplexere Risikolandschaften schaffen.
6. Chancen und Herausforderungen für Schweizer Banken
Obwohl zahlreiche Risiken erkennbar sind, hebt die Studie auch positive Perspektiven hervor:
- „Safe Haven“-Vorteil: In Krisenzeiten profitieren Schweizer Banken durch ihre Stabilität und ihr Image im internationalen Vergleich.
- Wachstum durch Technologie: (Generative) KI und andere digitale Innovationen ermöglichen effizientere Abläufe, Kostensenkung und neue Geschäftsmodelle.
- Diversifizierung: Durch einen global ausgerichteten Kundenstamm können Schweizer Banken unterschiedliche Märkte erschließen und Schwankungen ausgleichen.
Herausforderungen liegen in der Bewältigung der steigenden regulatorischen Auflagen und in der proaktiven Anpassung an sich verändernde geopolitische Rahmenbedingungen.
7. Handlungsempfehlungen für Finanzinstitute
Die Studie formuliert klare Empfehlungen, damit Schweizer Banken ihre führende Rolle behaupten können:
- Proaktive Sanktionspolitik: Enge Zusammenarbeit mit Behörden und internationalen Gremien, um frühzeitig Klarheit zu schaffen und Integrität zu wahren.
- Geopolitisches Risikomanagement: Aufbau eines strukturierten Frameworks zur kontinuierlichen Beobachtung geopolitischer Entwicklungen und Durchführung von Szenarioanalysen.
- Kompetitivität durch Technologie: Verstärkte Investitionen in KI und Digitalisierung sowie in qualifiziertes Personal (Skill Development), um Wettbewerbsvorteile zu sichern.
- Kommunikationsstrategie: Transparentes Auftreten gegenüber Öffentlichkeit und Kunden, um das Vertrauen in die Schweizer Finanzinstitute auch bei kontroversen politischen Entscheidungen zu erhalten.
- Stärkung der Neutralität: Klare Positionierung gegenüber internationalen Konflikten, ohne die eigentlichen Werte des Schweizer Finanzplatzes zu gefährden.
8. Fazit: Stabilität durch Weitblick und Anpassungsfähigkeit
Die umfassende Studie „The Impact of Geopolitical Risks on Swiss Banking“ macht deutlich, dass Schweizer Banken zwar in besonderem Maße von internationalen Krisen profitieren können, aber zugleich gezwungen sind, proaktiv auf geopolitische Entwicklungen zu reagieren. Insbesondere das Thema Sanktionen erweist sich als zentraler Dreh- und Angelpunkt, der langfristig über Wettbewerbsfähigkeit, Reputation und regulatorische Sicherheit entscheidet.
Trotz bestehender Risiken ist die Gesamtperspektive laut der Analyse positiv: Der Schweizer Bankensektor bleibt im globalen Vergleich weiterhin ein vertrauenswürdiger „Safe Haven“. Um diese Rolle auch in Zukunft zu erhalten, ist jedoch eine kontinuierliche Anpassung an die geopolitische Risikolandschaft unerlässlich – sei es durch stärkere Innovationskraft, einen verfeinerten regulatorischen Kompass oder eine intensivere Kommunikation mit allen Stakeholdern.
Table of Contents
- 1. Warum geopolitische Risiken für Schweizer Banken so relevant sind
- 2. Übersicht über die 34 identifizierten geopolitischen Risikofaktoren
- 3. Zentrale Risikofaktoren: Sanktionen als Schlüsselfaktor
- 4. Einfluss auf die verschiedenen Banksegmente
- 5. Historische und prädiktive Analysen: Widerstandsfähigkeit, aber keine Garantie
- 6. Chancen und Herausforderungen für Schweizer Banken
- 7. Handlungsempfehlungen für Finanzinstitute
- 8. Fazit: Stabilität durch Weitblick und Anpassungsfähigkeit